Als natürliche Immunreaktion (Fremdkörper-Reaktion) bildet der Körper um das eingepasste Implantat eine Bindegewebshülle (Kapsel) im Sinne einer Abgrenzung des Körpers. Dieser Vorgang findet grundsätzlich unabhängig von der verwendeten Implantatoberfläche oder der Implantatfüllung oder anderen Faktoren statt. Im Idealfall bleibt diese Bindegewebshaut dünn und elastisch, so dass bei ausreichend eigenem Bindegewebe ein Brustimplantat kaum fühlbar ist.
Eigene Bindegewebshaut verhärtet
In einigen Fällen reagiert der Körper jedoch stärker auf das Implantat, bildet eine festere, dickere Kapsel, die sich im schlimmsten Fall zusammenziehen kann. Diese Form der Komplikation nennt man (konstruktive) Kapselfibrose (kurz: KF) bzw. Implantatverhärtung. Bei einer ausgeprägten Kapselfibrose kann sich die innere Bindegewebshülle derart verdicken und hart werden, dass sich sogar das Implantat deformiert, in eine andere Lage gedrängt wird und nach außen sichtbar abzeichnet.
Anzeichen einer Kapselfibrose
Woran erkennt man, ob man eine Kapselfibrose hat?
- Spürbare Verhärtung der Brust (bei einem oder beiden Implantaten),
- „seltsames“ Gefühl/Spannungsgefühl,
- Schmerzen
- Leichte bis auffällige Größenunterschiede (Asymmetrie),
- Verformung der Brust durch Verformung/Drehung des Implantats,
- Faltenbildung.
Implantate aus den 70er/80er Jahren: Risiko vielfach höher
Ältere Statistiken mit glattwandigen Implantaten (2. Generation-Brustimplantate, 70er/80er Jahre), meist über dem Muskel eingebracht, zeigen Kapselfibrose-Raten bis über 30%. Laut einer wissenschaftlichen Studie treten 60 % aller Kapselfibrosen in den ersten sechs Monaten und 90 % innerhalb eines Jahres nach Operation auf. Beim Vergleich der Implantatlage entstanden 70% aller Kapselfibrosen bei Platzierung des Implantats über dem Brustmuskel und nur 30% bei Platzierung unter dem Brustmuskel. Diese Studien, die vor allem in den 90er Jahren durchgeführt wurden, zeigten besorginserregende Zahlen auf.
Moderne Implantate: geringes Kapselfibrose-Risiko
Mit der Einführung von Brustimplantaten der 3. (4./5.) Generation mit texturierter Oberfläche und optimierten OP-Techniken konnte das Risiko für eine Kapselfibrose entscheidend reduziert werden. Neuere Studien über Implantaten mit kohäsivem Silikongel und rauer Oberfläche zeigen ein Fibrose-Risiko von unter 5%.
Einteilung der Kapselfibrose in 4 Schweregrade:
Die Kapsefibrose lässt sich in 4 Stufen einteilen. Man nennt diese, nach dem erstbeschreibenden Chirurgen, „Baker-Stufen“.
Die Brust ist leicht verhärtet, was man beim Abtasten spüren und eventuell auch beim Ultraschall sehen kann. Schmerzen treten nur selten auf. Baker 1 kann auch komplett unbemerkt von der Patientin auftreten.
Die Verhärtungen sind etwas stärker, die Brust spannt, es können leichte Schmerzen auftreten.
Die Kapsel ist fest und hart. Als Zeichen für ein starkes Zusammenziehen (Kontraktur) kommt es zur äusserlichen Deformierung der Brust. Oftmals treten in diesem Stadium schon starke Schmerzen auf.
Die Kapsel ist derart fest und zusammengezogen, dass es zu einer deutlichen Deformierung der Implantate und der äußeren Brustform kommt. Die Brust ist schon auf leichte Berührung hin schmerzhaft. Bei stark fortgeschrittenem Stadium 4 besteht die Gefahr der Implantatrupturierung (Reißen des Implantats) durch den starken Kapseldruck.
Wie behandelt man eine Kapselfibrose?
Baker 1 und 2
Die ersten beiden Stufen gelten als noch unproblematisch und sind mitunter nicht therapiebedürftig. Bei Baker Stadium 2 kann eine Kapselsprengung durch den Chirurgen (kleiner operativer Eingriff) als prophylaktische Maßnahme schon abzuwägen sein. Die früher angewandte Technik der manuellen Kapselsprengung, d.h. das Zerreißen der Kapsel von außen mit Gewalt ist eine extrem schmerzhafte sowie gefährliche Prozedur und wird wegen der Rupturgefahr des Implantats heute nicht mehr angewendet!
Baker 3 und 4
Bei Baker-Stufen 3/4 muss gehandelt werden! Nicht-chirurgische therapeutische Optionen umfassen Massage, Ultraschallwellen-Therapie und eine spezielle antiinflammatorische Medikation (Leukotrien-Hemmer, z.B. Zafirlukast).
Bei einem notwendigen operativen Eingriff geht es entweder um das Lösen oder Entfernen der Kapsel, meist aber sogar um die Entfernung der Implantate samt Kapsel.
Kann man eine Kapselfibrose vermeiden?
Folgende Maßnahmen sollen nach verschiedenen Studien das KF-Risiko reduzieren können:
- Verwendung von texturierten Implantaten
- Platzierung unter dem Brustmuskel (galt für ältere Implantatgenerationen)
- Platzierung teils unter, teils über dem Brustmuskel („Dual-Plane“)
- Möglichst gewebeschonende und blutarme OP-Technik, Vermeidung von Haut-Implantatkontakt
- Spülung des Implantat-Umfeldes mit Antibiotika während der OP
- Verwendung von Drainagen, die eine Blut- und Flüssigkeitsansammlung rund um das Implantat verhindern
- Antibiotika-Prophylaxe während der Operation und in der ersten Woche danach zur Verhinderung von (latenten) Infektionen
- Kompressions-BH zur festen Stützung, damit das Implantat richtig in die präparierte Tasche einwächst und sich das texturierte Implantat gut mit dem Körper verbindet
- Anwendungen von Ultraschall
Eigene körperliche Reaktion nicht steuerbar
Die Diagnose einer Kapselfibrose ist laut einiger Studien auch mit dem Vorhandensein von rheumatologischen Immunmarkern (ANA, antinukleare Antikörpern) im Blut verbunden. Diese werden in Verbindung mit einer körperlichen Reaktion auf das eingebrachte Silikon gesehen. Das Auftreten einer sogenannter Silikon-Erkrankung durch Brustimplantate wird weiterhin diskutiert, nach Einschätzung einer gross angelegten Untersuchung der Amerikanischen Gesundheitsbehörde im Jahr 1999 gibt es hierzu jedoch keinen Nachweis.
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