In Marseille ist nun ein Urteil gegen den Gründer des Herstellers PIP ergangen. Jean-Claude Mas soll wegen bewusster Täuschung seiner Kunden vier Jahre hinter Gitter. Was bedeutet dieses Urteil für die betroffenen Frauen, denen PIP-Implantate eingesetzt wurden?
Wer kann klagen? Ist ein Schaden eingetreten?
Wer infolge eines nachweislich geplatzten PIP-Implantats eine Entzündung entwickelt hat und deshalb an der Brust operiert werden musste, der hat einen theoretisch einklagbaren Schaden. Dies gilt wohl nicht für Frauen die an Krebs erkrankt sind, welcher in einem zeitlichen Zusammenhang mit defekten Brustimplantaten entdeckt wurde, da noch in keinem Gerichtsverfahren ein Zusammenhang zwischen Brustimplantaten und Krebserkrankungen nachgewiesen werden konnte.
Schlechte Karten bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung haben Frauen, die sich ihre PIP-Implantate aus Sorge um ihre Gesundheit vorsorgliche haben entfernen lassen. Eine prophylaktischer Eingriff ist rechtlich gesehen nicht als Schaden einzustufen und daher nicht einklagbar.
Gegen wen hat eine Klage Aussicht auf Erfolg?
Wenn auch eine Klage gegen den Hersteller nach dem aktuellen Urteil gegen den Gründer in der Sache gute Aussicht auf Erfolg hat, muss auf jeden Fall in Frankreich geklagt werden (Firmensitz). Das schuldhafte Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) ist aber mittlerweile insolvent. Man kann auch davon ausgehen, dass bei dem zu vier Jahren Haft verurteilten Gründer wohl keine Entschädigungen einzuholen sind. Somit würden Klägerinnen nicht nur keinen Schadenersatz erhalten, sondern sogar noch auf den Gerichtskosten sitzen bleiben.
Die behandelnden Chirurgen sind rechtlich kaum zu belangen, da sie die Implantate als zertifizierte Medizinprodukte mit offizieller Zulassung eingesetzt hatten. Der französische Staat bleibt ebenfalls aussen vor, da es für die Zulassung eine verantwortliche Prüfinstanz, den TÜV-Rheinland gab, dem es oblag über die Qualität des Produkts zu urteilen.
Gegenüber dem TÜV Rheinland könnten die Betroffenen mit einer Klage Aussicht auf Erfolg haben. In dieser Angelegenheit ist es auch schon zu einem ersten Urteil gekommen: In einem Zivilverfahren wurde der TÜV Rheinland vor wenigen Wochen in erster Instanz für schuldig befunden. Das Urteil wurde mit der Verletzung der „Pflicht zur Kontrolle und Wachsamkeit“ begründet. Da das Urteil aber in Frankreich ergangen ist, könnte es für Klägerinnen in Deutschland schwer sein, hierzulande ihrer Ansprüche durchzusetzen. Denn nur weil ein französischer Richter urteilt, dass der TÜV Rheinland seine Pflichten vernachlässigt hat, muss die deutsche Justiz nicht zwangsläufig beipflichten. Zudem hat der TÜV gegen das Urteil bereits Berufung eingelegt. Es ist unklar, ob nicht nur Ärzte und Patienten, sondern auch der TÜV selbst bei der Beurteilung des Produkts durch den Hersteller hinters Licht geführt wurde.
Dass das Urteil in Frankreich gesprochen wurde, ist für Klägerinnen in Deutschland ein weiterer Aspekt, der das Durchsetzen ihrer Ansprüche erschweren könnte. Denn nur weil ein Richter in Frankreich findet, dass der TÜV Rheinland seine Pflicht verletzt hat, muss ein Richter in Deutschland das noch lange nicht so sehen.